Jill Baroff The Moving Target

21.04.2010 - 27.05.2010

Die Zeichnungen und Installationen von Jill Baroff (*1954) vereinen konzeptionelle Stimmigkeit und Materialsensibilität.

Vorgestellt werden drei verschiedene Werkgruppen. Von besonderer formaler Prägnanz sind die kreisförmig angelegten »Tide Drawings«. Das Motiv konzentrischer Kreise ist Ende der 50er- bzw. Anfang der 60er-Jahre mit Jasper Johns’ und vor allem Kenneth Nolands »Targets« prominent in die amerikanische Kunst eingeführt worden. Bei Jill Baroff erhält die hypnotische Form der um einen gemeinsamen Mittelpunkt kreisenden Linien eine präzise inhaltliche Motivation. Die »Tide Drawings« sind die visuelle Umsetzung der Wasserstandsschwankungen an verschiedenen Küstenorten über unterschiedliche Beobachtungszeiträume hinweg. Aberhunderte von Messwerten, die im Internet abrufbar sind, überträgt die Künstlerin mit einem Kreisel auf Papier, so dass sich jeweils individuelle zeitliche Verdichtungsmuster ergeben. Anders gesagt: Die diachrone Folge der Wasserstände wird in eine synchrone visuelle Form gebannt. Sich ausbreitenden Wasserwellen oder Wachstumsringen von Bäumen ähnlich, veranschaulichen die optisch vibrierenden »Tide Drawings« das Vergehen von Zeit. Die Kreisform deutet dabei eher auf die zyklischen Zeitvorstellungen asiatischer Kulturen als auf die lineare westliche Auffassung, passend zu dem sich immer wiederholenden, mit dem Mondzyklus zusammenhängenden Wechsel von Ebbe und Flut.

In lebhaftem Kontrast zu der Präzision der »Tide Drawings« stehen Jill Baroffs formal freiere »Floating Line Drawings«, die sich aus dem sensiblen Dialog der Künstlerin mit den spezifischen Materialeigenschaften des Gampi-Papiers ergeben. Die Herstellung und Verwendung des zarten, transparenten und doch überraschend festen Papiers, das aus dem in Zentral- und Südjapan heimischen Gampistrauch gewonnen wird, hat Jill Baroff während ihrer langen Japan-Aufenthalte ausführlich studiert. Die einfache, selbstgesetzte ›Regel‹ für diese Werkgruppe besteht darin, dass die Künstlerin jeweils eine Linie unterschiedlicher Breite mit Graphit oder Pastell entlang der Ränder ihrer Papiere zieht, diese dann ausschneidet und auf das verbleibende Rechteck sinken lässt, bevor sie dort fixiert wird. Entscheidend ist, dass nie vollkommen vorhersehbar ist, wie sich der Papierstreifen verhält, wie er sich faltet, wo er umknickt, ausfranst, usw. So entstehen vielschichtige materialbetonte Zeichnungen von erstaunlicher Leichtigkeit und Freiheit, die aus dem Spiel mit dem Zufall eine ganz eigene Poesie gewinnen.

Mit einer Bodeninstallation aus monochrom gelb gefärbtem Wellkarton wird eine dritte Werkgruppe von Jill Baroff vorgestellt. Die »Corrugated Floor Works« beziehen ihre ursprüngliche Inspiration aus der Beobachtung des wechselnden Lichteinfalls auf den japanischen Tatami-Bodenmatten. Für die Galerie Christian Lethert wird Jill Baroff eine Installation realisieren, die einerseits auf die spezifischen Bedingungen und Proportionen des mittleren Galerieraums Bezug nimmt, andererseits die mathematische Fibonacci–Reihe (1, 1, 2, 3, 5, 8 usw.) als kompositorische Grundlage nutzt – auch hier geht die Offenheit für konkrete Situationen Hand in Hand mit konzeptioneller Konsequenz.

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