Gereon Krebber Somatös
14.04.2012 - 26.05.2012Mit Somatös zeigt die Galerie Christian Lethert die dritte Einzelausstellung des Kölner Bildhauers Gereon Krebber (*1973). Somatös ist eine Wortbildung, die das Somatische, das Körperliche heraus streicht und dem Begriff komatös lautlich sehr nah liegt. In genau diesem Schwebezustand zwischen tot und lebendig scheint sich Gereon Krebbers Ausstellung einzurichten: Material, verrätselt in Form und Oberfläche und zwischen Körper und Erscheinung.
Für die griechischen Naturphilosophen, ähnlich wie bei den Hylozoisten des 17. Jahrhunderts, war Leben eine Eigenschaft der Materie selbst: Die Welt ist vom Leben durchdrungen, dabei können auch offensichtlich unbelebt erscheinende Dinge belebt sein. Immanuel Kant urteilte: »Der Hylozoismus belebt alles, der Materialismus dagegen, wenn er genau erwogen wird, tötet alles.« Krebber spricht von seinen Skulpturen als ›Untote‹. Sie machen uns zu Zauberlehrlingen und drohen, aus dem Ruder zu laufen.
Im vorderen Raum der Galerie zeigt Gereon Krebber zwei Arbeiten aus der Serie »Polycurls«. Die Arbeiten aus Polyurethan (Bauschaum) werden mit Sprühfarbe koloriert und anschließend mit Epoxidharz übergossen. »Ich spritze den Bauschaum mit einer Pistole in dünnen Fäden, die sich gekringelt über- und nebeneinander legen. Der Blick verliert sich in einem porösen Wimmeln; es entsteht der Eindruck einer Masse, in der es sich frei windet und kräuselt.« Krebber sprüht seine Skulpturen in Schalformen, wodurch kompakte Blöcke und Körper entstehen. Einige Partien ergänzt und modelliert er frei, indem künstliche Stränge übereinander gelegt und angehäuft werden. Diese hängen strähnig herunter, ballen sich und brechen aus den eingefassten Formen aus. Koloriert in
monochrom changierenden Farben, wirkt der Körper organisch-lebendig, bleibt ausdrücklich abstrakt und fremdartig. Überzogen sind die Plastiken mit tropfenden Schichten Epoxidharz, der die Skulptur hochglänzend einschließt und wie feuchter Schleim wirken lässt, unter dem es weiter quillt.
»Captcha« ist ein dunkler Krater, der blaugrün schillert. Seine Ringfassung öffnet sich und lässt eine gehäufte Masse herausfließen. »Payback« ist ein leicht gekippter, aufrecht stehender flacher Block, der beige-braun-fleischig koloriert ist. Die Skulpturen zeigen einen prekären Moment von Kontrollverlust, von Kippeln, Platzen und Überlaufen. Ihr Wimmeln und Ausbrechen hintergeht ihre klaren Umrisse und sprengt ihre architektonische Fassung.
Krebbers neue Skulpturen arbeiten in einem Spannungsfeld zwischen Faszination und Abscheu, zwischen Wesen und Objekt, Animation und Konkretion, Slapstick und Bedrohung. So auch die Arbeiten im zweiten Raum: Dort befindet sich eine mehrteilige Bodenarbeit aus Zellstoffbeton. Eierartige, organische Formen ergeben eine fremdartige Brutstätte, wie aus dem Raumschiff des Films Alien. Die Objekte scheinen zu lauern: »In den freigelegten Leerräumen steckt noch etwas Anderes, Unheimliches, jedenfalls Unbeschreibliches, das es noch weiter pochen lässt.« (Viola Weigel).